Im Global Risk Report 2020 des Weltwirtschaftsforum werden mittels Expertenumfrage die Risiken der kommenden Jahren benannt. Dieses Jahr finden sich zum ersten Mal die Klimakrise und ihre Folgen unter den Hauptrisiken. Außerdem warnt der Bericht vor der Zerstörung der Artenvielfalt, einem Abwärtstrend der Wirtschaft, den Gefahren der Digitalisierung und davor, dass die Gesundheitssysteme unter Druck geraten könnten.
Von Meike Hickmann / zdf.de
Das Weltwirtschaftsforum ist im Krisenmodus – im Klimakrisenmodus: Im Global Risk Report 2020 sind erstmals Umweltrisiken die fünf wahrscheinlichsten Risiken der nächsten zehn Jahre. Den Expertenbericht über die global größten Risiken hat die in der Schweiz ansässige Stiftung „World Economic Forum“ (Weltwirtschaftsforum) in Zusammenarbeit mit Marsh & McLennan und der Zurich Insurance Group erstellt. Dieser Bericht der Stiftung Weltwirtschaftsforum ist Arbeitsgrundlage für das gleichnamige Jahrestreffen vom 21. bis 24. Januar 2020 in Davos.
Was im Jahr 2020 gefährlich werden könnte
Ein Blick in die Glaskugel für 2020? So ähnlich – Der Global Risk Report ist eine Umfrage unter 750 Experten und Entscheidungsträgern auf der ganzen Welt, die ihre größten Bedenken in Bezug auf Wahrscheinlichkeit und Auswirkungen auf Wirtschaft, Politik und Gesellschaft einstufen. Dabei werden die schon erwähnten langfristigen Risiken bis 2030 prognostiziert – aber auch die unmittelbar bevorstehenden für das Jahr 2020. Auch hier stehen mit „Extreme Hitzewellen“ und „Zerstörung der natürlichen Ressourcenökosysteme“ zwei klimabedingte Risiken vorn: Über 70 Prozent der Befragten halten beides für wahrscheinlich eintreffend im kommenden Jahr. Terroranschläge halten dagegen nur 23 Prozent der Befragten für zutreffend.
Global Risk Report: Fünf Themen im Überblick
Das „Scheitern des Klimaschutzes und die Anpassung an den Klimawandel“ werden im 15. Global Risk Report zum ersten Mal als langfristiges Hauptrisiko genannt. Der Bericht warnt zudem vor dem Artensterben und dem Verlust der Biodiversität, dem Abwärtsruck der Weltwirtschaft, den Gefahren der Digitalisierung und dem erhöhten Druck auf die Gesundheitssysteme. Die fünf Themen im Überblick.
1. Hauptrisiko Klimakrise
Der Klimawandel sei härter und schneller zu spüren als erwartet, warnt der Bericht. Die letzten fünf Jahre seien die wärmsten der Geschichte gewesen. Auch Naturkatastrophen werden intensiver und häufiger – ein „beispielloses Extremwetter“ habe das Jahr 2019 weltweit begleitet. Deshalb schätzen die Experten die Auswirkungen des Klimawandels als gefährlichstes Risiko ein. Der Bericht prognostiziert, dass die kurzfristigen Auswirkungen des Klimawandels sich zu einem „planetarischen Notfall“ summieren, der Todesfälle, soziale und geopolitische Spannungen sowie negative wirtschaftliche Auswirkungen mit sich bringen wird. Globale Lösungen zu finden sei angesichts einer unruhigen geopolitischen Lage und zunehmendem Nationalismus eine große Herausforderung. Borge Brende, Präsident des Weltwirtschaftsforums ruft zur Kooperation auf: „In diesem Jahr müssen die Staats- und Regierungschefs der Welt mit allen Bereichen der Gesellschaft zusammenarbeiten, um unsere Kooperationssysteme zur Bewältigung unserer tief verwurzelten Risiken zu reparieren und zu stärken“.
2. Das Artensterben
Die derzeitige Aussterberate sei zehn- bis hundertmal höher als der Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre – und sie beschleunige sich, schreibt das Weltwirtschaftsforum. Der Verlust der biologischen Vielfalt habe entscheidende Auswirkungen auf die Menschheit, vom Zusammenbruch der Lebensmittel- und Gesundheitssysteme bis hin zur Störung der gesamten Lieferkette. Der UN-Bericht zum Artensterben wurde im Mai 2019 veröffentlicht: Demnach sind geschätzt eine Million der acht Millionen Tier- und Pflanzenarten der Erde vom Aussterben bedroht. Weitere 4,9 Millionen Arten haben nicht genügend Lebensraum zur Verfügung und könnten darüber hinaus langfristig vom Aussterben bedroht werden.
3. Abwärtstrend der Weltwirtschaft
Vor dem Hintergrund, geopolitischer und geoökonomischer Unsicherheit warnt der Global Risk Report 2020 vor einem Abwärtsruck der Weltwirtschaft. 78 Prozent der 750 Experten gaben an, dass die „wirtschaftlichen Konfrontationen“ und die „innenpolitische Polarisierung“ im Jahr 2020 zunehmen werden. Der Bericht prognostiziert ein Jahr mit zunehmenden nationalen und internationalen Spaltungen und einer konjunkturellen Abkühlung. Die politischen Entscheidungsträger müssten die Ziele für den Schutz der Erde mit denen für die Ankurbelung der Volkswirtschaften abgleichen.Reduzierte Handelsvolumina sind das, was die Welthandelsorganisation (WTO) „Historisch hohe Handelsbeschränkungen“ nennt: Laut WTO ging der Handel im Jahr 2019 um 2,9 Prozent im Vergleich zu 2018 zurück. Das mögliche Ergebnis laut IWF könnte sein, dass sich das globale Wachstum um 0,8 Prozentpunkte im Jahr 2020 verlangsamt, ist im Global Risk Report zu lesen.
4. Gefahren der Digitalisierung
Mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung sind mittlerweile online, ungefähr eine Million Menschen gehen jeden Tag zum ersten Mal online und zwei Drittel der Weltbevölkerung besitzen ein Mobilgerät, steht im Global Risk Report. Der Bericht warnt in diesem Zusammenhang vor dem Fehlen eines globalen Rahmens für die Digitalisierung. Die Unsicherheit im Internet stelle ein erhebliches Risiko dar. Die befragten Experten bewerteten zudem den Ausfall der Informationsinfrastruktur als das wahrscheinlichste Risiko in den nächsten zehn Jahren nach den klimabedingten Risiken – es landet damit also auf dem sechsten Platz. Das Weltwirtschaftsforum erwartet ein großes Wachstum digitaler Technologien, die Wirtschaft und Gesellschaft „dramatisch verändern“ werden. Bis 2025 erwarten die Experten einen enormen Anstieg in den Bereichen Cloud Computing, autonome Fahrzeuge, Präzisionsmedizin und Drohnen.
5. Gesundheitssysteme unter Druck
Der Gewinn an Wohlbefinden und Wohlstand, den die Gesundheitssysteme im letzten Jahrhundert unterstützt haben, drohe zunichte gemacht zu werden, befürchten die Experten des Weltwirtschaftforums. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychische Erkrankungen hätten Infektionskrankheiten als häufigste Todesursache verdrängt. Die Erhöhung der Lebenserwartung und die Kosten für die Behandlung chronischer Krankheiten setze Gesundheitssysteme in vielen Ländern unter Druck. Herzkrankheiten, Krebs, Diabetes und Atemwegserkrankungen, haben zusammen mit psychischen Krankheiten die Weltwirtschaft in den Jahren 2010 bis 2020 geschätzt 47 Billionen US-Dollar gekostet, schreibt das Weltwirtschaftsforum. Herzkrankheiten, Krebs, Diabetes und Atemwegserkrankungen machen insgesamt über die Hälfte der weltweiten Todesfälle aus.
Hintergrund: Das Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum WEF) in Davos gilt als einer der wichtigsten Treffpunkte für Spitzenpolitiker, Topmanager und Wirtschaftswissenschaftler. Erklärtes Ziel des 1971 gegründeten World Economic Forum ist es, „den Zustand der Welt zu verbessern“. Gegründet wurde das WEF von dem aus Ravensburg stammenden Ökonomie-Professor Klaus Schwab. Dem Forum gehören mehr als 1.000 Unternehmen an – darunter über 100 der weltgrößten Konzerne als sogenannte strategische Partner. Die Teilnahme ist nur auf Einladung möglich. Das diesjährige Weltwirtschaftsforum hat von 21. Januar bis 24. Januar 2020 stattgefunden.