Wer reist, hinterlässt Fußabdrücke – am Boden wie in der Atmosphäre. Die nachhaltigste Art zu reisen wäre, darauf zu verzichten. Doch es gibt Wege, mit gutem Gewissen in den Urlaub zu fahren.
Touristen sind laut einer Studie in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change“ schuld an etwa acht Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen, Tendenz steigend. Rund die Hälfte der klimaschädlichen Gase entsteht erwartungsgemäß bei der An- und Abreise. Doch was erstaunlich ist: Im globalen Verursacher-Ranking stehen etwa Urlauber aus dem verhältnismäßig kleinen Deutschland gleich hinter den USA und China auf Platz drei. Basierend auf einer vom Heidelberger Ifeu-Institut entwickelten Methode lässt sich auf www.ecopassenger.org genau berechnen, welche Reiseform für welche Route die umweltverträglichste ist. Dabei wird schnell klar: Das Flugzeug ist der größte Klimakiller. Trotz der schwedischen Trend-Kampagne „Flygskam“ (Flugschämen), die Flugreisenden nahelegt, sich zu schämen, bleibt der Greta-Effekt jedoch bisher aus und die Passagierzahlen steigen weiter.
Seltener fliegen, Zubringerflüge vermeiden, Nonstopflüge buchen, den Treibstoffverbrauch durch leichtes Gepäck senken – all das sind Tipps, wie man zur Verbesserung der CO2-Bilanz beitragen kann. Noch besser aber ist eine vollständige Kohlendioxid-Kompensation, wie sie bereits von zahlreichen Airlines und touristischen Portalen auf freiwilliger Basis angeboten wird. Organisationen wie Atmosfair erheben pro Flug entfernungsabhängige Preisaufschläge, die dann in Klimaschutzprojekte investiert werden, um die entstandenen Emissionsmengen anderswo wieder einzusparen. Über das Online-Reisebüro Flyla sind Flugbuchungen ohne CO2-Ausgleich gar nicht mehr möglich.
Am umweltfreundlichsten reist man natürlich zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Slow Travel ist ein Trend, der Urlaubern mehr Reiseerlebnisse bietet, da sie langsamer vorwärtskommen. Für weite Strecken bieten sich Bahn, Reisebus, Mitfahrzentrale, Car-Pooling oder Segelboote an. Kreuzfahrten können dem Fliegen allerdings in puncto Emissionen gut das Wasser reichen, umso mehr, wenn der Einschiffungshafen auch noch mit dem Flugzeug angesteuert wird.
Weiter fahren, länger bleiben
Der Super-GAU für die Umwelt sind Kurztrips zu Langstrecken-Destinationen. Wer Wellness, Kultur, Sport oder Abenteuer sucht, wird in nächster Nähe oft genauso fündig wie an Fernzielen, und das bei kurzer Anreise ohne Jetlag, Wartezeiten und Sicherheitskontrollen. Eine verantwortungsbewusste Ökobilanz ist immer ein Balanceakt zwischen Reisedistanz und Reisedauer. Die Faustregel: Wer 700 Kilometer zurücklegt, sollte nicht weniger als acht Tage vor Ort bleiben; ab 2000 Kilometern Entfernung wären mindestens 15 Urlaubstage ratsam. Diese gilt es möglichst digital zu planen, denn durch gespeicherte Dateien und Offlinekarten fallen Papier und Reisegewicht weg. Wer im Hotel Wasser und Energie sparen möchte, hat fast überall die Möglichkeit, Handtücher möglichst lang zu nutzen und Klimaanlagen während seiner Abwesenheit abzustellen. „All inclusive“ legt einen verschwenderischen Umgang mit Ressourcen nahe und ist daher meist wenig ökologisch.
Im Ferienmodus werden die ordnungsgemäße Trennung und Entsorgung von Müll im Urlaubsland häufig vernachlässigt. Wild weggeworfene Plastikverpackungen, Metallteile, Schnüre, Kaugummis und Zigarettenstummel kosten dort viele Tiere das Leben. Plastiksackerln sind bereits vielerorts tabu. Trinkhalme werden immer häufiger durch waschbare Röhrchen oder Makkaroni ersetzt.
In Skandinavien und in den Alpen entwickelt sich „Plogging“ zum Trend, eine Bezeichnung, die sich aus dem schwedischen „plocka“ (pflücken) und Jogging zusammensetzt. Beim Laufen, Wandern oder Radfahren werden aus der Natur statt Blumen Abfallstücke mitgenommen und entsorgt. Bei organisierten Säuberungsaktionen an Stränden, sogenannten Beach Clean-ups, sind Urlauber ebenfalls sehr willkommen. Es hilft aber auch schon, wenn jeder Feriengast von sich aus ein paar Plastikverpackungen aufhebt und in den richtigen Kübeln entsorgt.
Kein Lärm, keine Mitbringsel
Wer das Meer und seine Bewohner nicht zusätzlich mit Schadstoffen belasten möchte, findet im Internet eine Vielzahl an Bio-Sonnencremes. Laute Geräusche, wie etwa von Jetskis, Motorrollern oder Motorbooten, stressen Menschen und Tiere. „Leave nothing but footprints, take nothing but pictures, kill nothing but time“ steht sinngemäß auf immer mehr Strandtafeln und weist Spaziergänger darauf hin, keine Muscheln und andere Meerestiere mitzunehmen. „In vielen vermeintlich leeren Schalen verstecken sich winzige Lebewesen“, erklärt Meeresbiologin Abby Seymore vom Forschungszentrum Reef Teach in Cairns. „Auch wissen viele Urlauber nicht, dass Korallen keine Pflanzen, sondern Tiere sind, die nicht abgebrochen und getötet werden wollen.“ Am Great Barrier Reef können Besucher mithelfen, Korallenriffe zu reinigen. Auf Koalasafaris im australischen Victoria werden Urlauber angehalten, Unkraut zu jäten, das die Nahrungsquelle der Tiere, die Eukalyptusbäume, bedroht.
Viele Destinationen haben sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben. Costa Rica oder die Nordseeinsel Juist streben die totale CO2-Neutralität an. Biohotels schießen aus dem Boden. Der Landal Ferienpark Mont Royal etwa produziert so viel grüne Energie, dass der Überschuss ins Netz eingespeist wird. Generell ist es am Ferienort ratsam, einheimische Anbieter zu unterstützen: Bauer statt Supermarkt, Familienlokal statt Fastfoodkette, Handwerkskunst statt Plastiksouvenir. Über Spezialveranstalter kann man mit thailändischen Frauen Pandanblätter flechten, bei malaysischen Familien wohnen, mit griechischen Bauern Oliven ernten.
Bei Tiererlebnissen allerdings ist Vorsicht geboten. Elefantenreiten in Thailand, Eselreiten auf Santorin, Kamelreiten in Ägypten und Fiakerfahrten in Wien finden laut der Tierrechtsorganisation Peta oft auf dem Rücken geschundener Tiere statt. Stierkämpfe, Delfin-Shows, tanzende Affen und Selfies mit narkotisierten Raubtieren widersprechen ganz klar dem Prinzip des ethischen Reisens.
Bilderflut zerstört Paradiese
Wenn Kreuzfahrtgiganten Wasser recyceln, Delfinparks Tierschutz propagieren und Wüsten-Golfplätze mit Öko-Urlaub werben, verschwimmen bisweilen die Grenzen zwischen Naturschutz und PR. Die sozialen Medien können gleichermaßen zur Förderung und zur Zerstörung von Traumzielen beitragen, hat Reiseblogger Johannes Richter festgestellt. „Wie sehr die Naturparadiese unter dem Instagram-Tourismus leiden, ist den meisten gar nicht bewusst. Gegenden, die früher einmal ein einzigartiges Naturschauspiel boten, sind heute oft völlig von Touristen überrannt. Die Leute rauben den Orten letztlich das, was sie einmal ausgemacht hat.“
Sanftes Reisen bedeutet also in erster Linie Respekt vor dem Reiseland, seiner Umwelt, seinen Menschen, Tieren und Pflanzen. Laut einer Studie der Universität Oxford gibt es für den Umweltschutz übrigens nichts Effektiveres als weniger Tierprodukte zu konsumieren, denn Massentierhaltung soll weitaus mehr Treibhausgase als der gesamte weltweite Reiseverkehr produzieren. Der Verzicht auf Fleisch und Milch würde dem Klima mehr bringen als der Verzicht aufs Auto oder Fliegen.
Quelle: Die Presse , 11.1.2020