In der „Süddeutsche Zeitung“ vom 10.12.2010 findet sich ein Interview mit dem grünen Bremer Umweltsenator Reinhard Loske, der für einen radikalen Kulturwandel in den Industrienationen plädiert. Nur so seien die Klimaziele noch zu erreichen.
SZ: Herr Loske, in Cancún streiten gerade die Staaten der Erde um die Klimaziele. Viele Industrieländer bangen um ihr Wirtschaftswachstum, wenn sie sich an das Zwei-Grad-Ziel ketten sollen. Schadet der Klimaschutz unserem Wohlstand?
Loske: Ein paar Fakten, die nicht oft genug gesagt werden können: Ein durchschnittlicher Nordamerikaner stößt 20 Tonnen CO2 pro Jahr aus, ein durchschnittlicher Westeuropäer zehn Tonnen. Ein Chinese dagegen nur vier, ein Inder zwischen zwei und drei Tonnen. Das ist eine gewaltige Asymmetrie, die die Industrieländer nicht zu Unrecht unter Druck bringt. Sie können in der Klimafrage nur glaubwürdig in Verhandlungen gehen, wenn sie sich auch zu Reduktionszielen bekennen.
SZ: Dafür müssten die Industrienationen den CO2-Ausstoß vom Wirtschaftswachstum abkoppeln. Ihre Partei, die Grünen, wollen das mit einem ökologischen Umbau der Industrie erreichen – also mit massiven Effizienzsteigerungen. Reicht das?
Loske: Auf kurze und mittlere Sicht würde ein sehr anspruchsvolles Programm des ökologischen Umbaus oder des „Green New Deals“, wie wir das nennen, gewaltige Beschäftigungseffekte und ebenso gewaltige Wertschöpfungsaktivitäten auslösen. Die können dazu führen, dass wir bei stabilem Wachstum weniger CO2 ausstoßen. Sicher aber ist das nicht.
SZ: Warum nicht?
Loske: Ich rechne mit dem, was Ökonomen einen Rebound-Effekt nennen. Das bedeutet: Effizienzgewinne werden durch Wachstum wieder aufgefressen. Unsere Autos sind sparsamer, aber es gibt immer mehr davon. Wir haben effizientere Elektrogeräte, aber immer mehr Anwendungen. Wir benötigen immer weniger Heizenergie pro Quadratmeter, aber haben pro Kopf immer mehr Wohnfläche. Dieses Hase-und-Igel-Rennen zwischen Effizienz und Wachstum können wir auf Dauer nicht gewinnen.
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