Eine Durchschnittstemperatur von mehr als 29 Grad Celsius könnte für 3,5 Milliarden Menschen Realität werden – ein großes Problem für ganze Weltregionen.
Wenn der Ausstoß der Treibhausgase nicht gemindert wird, könnten in 50 Jahren 3,5 Milliarden Menschen unter großer Hitze leiden. Das berichten Wissenschaftler um Marten Scheffer von der Universität Wageningen (Niederlande) in der Fachzeitschrift Proceedings. Die Menschen würden demnach in Gebieten leben, in denen die jährliche Durchschnittstemperatur mehr als 29 Grad Celsius beträgt. Damit befänden sie sich außerhalb der klimatischen Nische, die der Mensch seit mindestens 6.000 Jahren bewohnt.
„Das Coronavirus hat die Welt in einer Weise verändert, die noch vor wenigen Monaten schwer vorstellbar war, und unsere Ergebnisse zeigen, wie der Klimawandel etwas Ähnliches bewirken könnte“, wird Scheffer in einer Mitteilung seiner Universität und der anderen beteiligten Forschungseinrichtungen zitiert. Die Veränderungen würden zwar weniger schnell ablaufen, aber anders als bei der aktuellen Pandemie könne man nicht auf eine Erleichterung in absehbarer Zeit hoffen.
Anhand vorhandener Datenbanken glichen die Wissenschaftler die bevorzugten Siedlungsgebiete des Menschen mit den klimatischen Bedingungen in diesen Regionen ab. Sie fanden einen Höhepunkt der Bevölkerungsdichte bei Jahresdurchschnittstemperaturen von etwa 11 bis 15 Grad Celsius und einen kleineren Höhepunkt bei 20 bis 25 Grad Celsius. Diese Verteilung hat sich in den vergangenen 6.000 Jahren kaum geändert, weshalb die Forscher diese Temperaturspanne als die „ökologische Nische des Menschen“ bezeichnen.
Beim Blick in die Zukunft verwendeten die Wissenschaftler eine Klimaprognose aus dem 5. Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPCC). Sie geht davon aus, dass sich die Konzentration der Treibhausgase wie in den vergangenen Jahrzehnten weitgehend ungebremst entwickeln wird. Die Temperaturen werden in den verschiedenen Weltregionen entsprechend steigen. Zudem nutzten die Forscher das sozioökonomische Szenario SSP 3 für die Entwicklung der Weltbevölkerung.
Mehr als eine mögliche Milliarde Betroffene in Indien
Die Modellrechnungen ergaben, dass sich Gebiete mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von mehr als 29 Grad Celsius von jetzt 0,8 Prozent der weltweiten Landfläche (vor allem in der Sahara) bis 2070 auf 19 Prozent ausdehnen werden. Die Gebiete lägen vor allem in Südamerika, Afrika, Indien, Südostasien und Nordaustralien. In Indien wäre mehr als eine Milliarde Menschen davon betroffen, in Nigeria, Pakistan, Indonesien und Sudan jeweils mehr als 100 Millionen Menschen.
„Dies hätte nicht nur verheerende direkte Auswirkungen, sondern es wäre für Gesellschaften auch schwieriger, künftige Krisen wie neue Pandemien zu bewältigen“, sagte Scheffer.
Solche Temperaturanstiege bedeuteten nicht zwangsläufig, dass die Menschen aus den betroffenen Gebieten auswandern würden; denn für Migration gebe es ein komplexes Bündel an Gründen. Dennoch sieht Scheffer die Ergebnisse der Studie als Appell an die Weltgemeinschaft an, den Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) rasch zu senken.
Quelle: zeit.de