20.1.2015, Wien/ Die globalisierte Wirtschaft des 21. Jahrhunderts und die Rahmenbedingungen, die die Staaten für ihr Funktionieren geschaffen haben, haben die Ungleichheit in einer Weise vergrößert, in der das exponentiell reicher werdende oberste Einkommensprozent sich immer mehr von den restlichen 99 % entkoppelt.
Die beeindruckenden Wachstumsraten von Schwellenländern wie Indien oder China haben die Lebensbedingungen von Millionen der allerärmsten Menschen zwar etwas verbessert, viele Andere jedoch verarmen lassen und die Gesellschaft dieser Länder insgesamt ungleicher gemacht.
Gleichzeitig warnen Wissenschaftler_innen vor einer nicht rückgängig zu machenden Klimaerwärmung, dem rapiden Zurückgehen der Artenvielfalt und den damit verbundenen negativen Auswirkungen insbesondere auf Menschen in den sogenannten „Entwicklungsländern“. Der „ökologische Fußabdruck“ der Schwellenstaaten wird größer, aber die westlichen Industrieländer sind nach wie vor die größten Umweltverschmutzer.
Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Ungleichheiten und Ungleichgewichte verschärft und den politischen Willen zur Lösung der ökologischen Krise geschwächt.
In Europa wird die ‚staatstragende‘ Mittelklasse durch den (vermeintlichen?) Sparzwang systematisch ausgehöhlt. Gleichzeitig erhöht sich der Druck auf allen Ebenen, auf den internationalen Wettbewerb reagieren zu müssen – meist auf Kosten sozialer Wohlfahrtsmodelle. All das verstärkt das Gefühl der Unsicherheit, was zum Erstarken nationalistischer Bewegungen führt.
Von Seiten der Wissenschaft wie auch der Zivilgesellschaft werden jedoch zunehmend auch Alternativen diskutiert, die der Logik, dass es in Zeiten des Umbruchs immer (viele) Verlierer_innen und (wenige) Gewinner_innen geben muss, widersprechen. Eine breite Palette von Ansätzen reicht vom Konzept des ‚buen vivir‘ (dem ‚guten Leben‘) zur Solidaritäts- und Gemeinwohl-Ökonomie, von einer ‚radikalen, ökologischen Demokratie‘ bis hin zu wachstumskritischen Ansätzen (wie ‚de-growth‘) und Glücksindices.
Wie beurteilen der indische Soziologe und Umweltaktivist Ashish Kothari und die an der University of Greenwich lehrende türkische Ökonomin Özlem Onaran die derzeitigen (Um)Bruchlinien? Welche Chancen und Risiken ergeben sich daraus? Ist die kapitalistische Wachstumsökonomie mit ökologischen Grenzen versöhnbar? Gibt es Alternativen zum derzeit vorherrschenden Wirtschaftsparadigma – im (globalen) Süden ebenso wie im (globalen) Norden?
Dienstag, 20. Januar 2015, 20.00
Diplomatische Akademie, Favoritenstraße 15a, 1040 Wien
Ashish Kothari
“As it becomes abundantly clear that humanity as a whole has crossed the ecological limits of the earth, and that countries like China and India are fast joining the already-industrialised nations in stressing the planet even more, the search for radical alternatives is humanity’s most urgent quest.” (Ashish Kothari)
Ashish Kothari ist Gründer sowie Mitglied der Umweltorganisation Kalpavriksh. Er unterrichtete am Indian Institute of Public Administration und koordinierte die indische nationale Biodiversitätsstrategie sowie den damit verbundenen Prozess für einen Aktionsplan. Er war Mitglied des Vorstands von Greenpeace International und Greenpeace Indien sowie des Steuerungskomitees von zwei Kommissionen von IUCN (International Union for the Conservation of Nature). Er war in verschiedenen Bürger_innen-Bewegungen aktiv und hat über 30 Bücher geschrieben bzw. herausgegeben. 2012 veröffentlichte er gemeinsam mit Aseem Shrivastava „Churning the Earth. The Making of Global India”. Dabei beschrieben die beiden Autoren Indiens bemerkenswerten, aber “räuberischen” Wachstumspfad. Derzeit arbeitet Ashish Kothari am Konzept einer “radikalen, ökologischen Demokratie”, einer Alternative zur derzeitigen wirtschaftlichen Globalisierung.
Özlem Onaran
Özlem Onaran ist seit 2012 Professorin für Beschäftigungs- und Wirtschaftsentwicklungspolitik an der Greenwich Universität. Davor arbeitete sie an der Westminster Universität, der Universität von Middlesex, der Wirtschaftsuniversität Wien und der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Technik, der Istanbuler Technischen Universität, der Universität von Massachusetts-Amherst sowie der Yapi Kredi Bank in Istanbul. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich schwerpunktmäßig mit dem Verhältnis zwischen Einkommensverteilung, Nachfrage und Wachstum; der Finanzkrise und ihren Verteilungswirkungen; den Auswirkungen vom internationalen Handels und von Auslandsinvestitionen auf Löhne, Beschäftigung und Investitionen; mit Gendereffekten von internationalem Handel und Finanzkrisen; und mit den Auswirkungen der Globalisierung auf die Wohlfahrtsstaaten. Sie publizierte zahlreiche Artikel in Büchern und Zeitschriften wie Cambridge Journal of Economics, World Development, Public Choice, Economic Inquiry, European Journal of Industrial Relations, International Review of Applied Economics, Structural Change and Economic Dynamics, Review of Political Economy, and Eastern European Economics.
Moderation: Martina Neuwirth, VIDC
Veranstaltungssprachen: Englisch und Deutsch mit Simultandolmetschung.
Anmeldung an: neuwirth@vidc.org