Köstinger plant Schwerpunkt zu dem Thema während österreichischem Ratsvorsitz
Erste und zumeist wohlwollende Reaktionen gegenüber zwei Vorschlägen der EU-Kommission äußerten die EU-Agrarminister auf ihrem Treffen zu Beginn der Woche in Luxemburg. Europaweite Mindeststandards gegen unfaire Handelspraktiken begrüßten fast alle EU-Mitgliedstaaten. Die geplanten Verbesserungen bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln wurden ebenfalls von allen Ministern gutgeheißen. Schließlich sprachen sich die EU-Mitgliedstaaten dafür aus, mehr gegen die Verschwendung von Lebensmitteln zu unternehmen. „Millionen von Landwirten stehen wenigen Handels- und Industriebetrieben gegenüber“, erklärte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger. Deshalb müssten die Landwirte vor unfairen Handelspraktiken geschützt werden. Mindeststandards sollen auf europäischer Ebene festgelegt werden, so wie von der EU-Kommission vorgeschlagen. Köstinger hob hervor, dass den EU-Mitgliedstaaten zudem Spielraum für nationale Regelungen bleiben müsse. Die Ministerin möchte die unfairen Handelspraktiken zu einem Schwerpunkt der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 machen und die Beratungen möglichst rasch zu einem Abschluss bringen.
Ein zusätzliches Problem sei die wachsende Zahl von Eigenmarken der Handelsketten. Die Produzenten der Eigenmarken der Handelsketten seien „extremem Dumping ausgesetzt“, sagte Köstinger gegenüber der APA. „Der Diskonter ist weniger ein Problem als die Eigenmarken“, so die Ministerin. „Die Handelsketten beginnen ihre Lebensmittel selbst zu produzieren, ohne Herkunftskennzeichnung, ohne dass der Erzeuger draufsteht, und das zu einem extrem günstigen Preis.“ Dies habe zur Folge, dass der agrarische Mittelbau chancenlos im Wettbewerb sei.
German Jeub, Abteilungsleiter im deutschen Landwirtschaftsministerium, betonte, in Deutschland gebe es bereits eine gut funktionierende Gesetzgebung. Diese müsse berücksichtigt, und wo nötig, ergänzt werden, meinte Jeub. EU-Agrarkommissar Phil Hogan sagte zu, dass er seinen Vorschlag als Ergänzung zu bestehender nationaler Rechtsprechung betrachte und diese nicht ersetzen wolle. Schließlich hätten bereits 20 EU-Mitgliedstaaten nationale Regelungen gegen unfaire Handelspraktiken.
In der ersten Tischrunde im Agrarrat ging einigen Ministern der Kommissionsvorschlag aber nicht weit genug. Auch wenn sich große Lebensmittelhersteller und die großen Handelskonzerne gegenüberstünden, sollen unfaire Handelspraktiken ausgeschlossen werden, forderte die spanische Landwirtschaftsministerin Isabel Garcia Tejerina. Auch Ungarn, Frankreich, Estland und Slowenien wollen die geplanten Mindeststandards für den fairen Umgang miteinander nicht nur auf Landwirte beziehen, sondern auf alle Beteiligten in der Lebensmittelkette ausweiten. Tschechien, die Slowakei und Kroatien möchten zudem die Liste der verbotenen Handelspraktiken deutlich verlängern. Kritisch gegenüber den geplanten Eingriffen in die freie Wirtschaft äußerten sich dagegen Dänemark und Schweden. Die dänischen Landwirte hätten sich in Genossenschaften organisiert und bräuchten keinen gesetzlichen Schutz vor unfairen Handelspraktiken, erklärte der dänische Minister Esben Lunde Larsen. Der Handel dürfe durch zusätzliche Auflagen und Bürokratie keinesfalls erschwert werden, bemerkte der schwedische Minister Sven-Eric Bucht.
Hogan stellte klar, dass sich der Vorschlag der EU-Kommission ausschließlich auf Landwirte sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) beschränken müsse. Der Eingriff ins Privatrecht sei lediglich über die Artikel für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) aus dem EU-Vertrag zu begründen. Landwirten ginge durch ihre schwache Position in der Vermarktungskette und daraus folgenden unfairen Handelspraktiken Einkommen verloren, betonte Hogan. Für eine allgemeingültige Beschränkung von unfairen Handelspraktiken für alle Beteiligten in der Lebensmittelkette fehlte dagegen die rechtliche Grundlage.
Mehr Transparenz bei Pflanzenschutzmittel-Zulassungen
EU-Verbraucherkommissar Vytenis Andriukaitis unterrichtete die Minister über geplante Verbesserungen bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Die EU-Kommission möchte nach der umstrittenen Zulassung von Glyphosat für mehr Transparenz sorgen. Zukünftig sollen alle Studien automatisch veröffentlicht werden, die die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) für ihre Risikoanalyse verwendet. Ausgenommen sind allerdings vertrauliche Unterlagen, um die geistigen Eigentumsrechte der Hersteller von Pflanzenschutzmitteln zu schützen. Bei besonders kontroversen Zulassungsverfahren soll die EFSA auch zusätzliche Studien in Auftrag geben und dafür mit einem zusätzlichen Budget ausgestattet werden. Andriukaitis drängte die Minister, die Verbesserungen noch vor den Europawahlen im Mai 2019 zu beschließen.
Österreich sagte sein Interesse an einer raschen Behandlung des Themas unter seiner Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 zu. Die meisten Minister lobten den Ansatz der EU-Kommission, durch mehr Transparenz das Vertrauen in die Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel zu verbessern. Der französische Landwirtschaftsminister Stephane Travert regte zudem an, die EFSA mit einem zusätzlichen Expertengremium auszustatten. Durch eine möglichst umfassende Beratung sollten Kontroversen abgeschwächt werden. Andere Minister warnten davor, der EFSA zu sehr reinzureden. Für eine strenge Trennung von wissenschaftlich basierter Risikoanalyse und politisch bestimmtem Risikomanagement sprachen sich im Rat vor allem Dänemark und Finnland aus.
EU-Lebensmittelabfälle bis 2030 halbieren
Die Verschwendung von Lebensmitteln stand am Nachmittag auf dem Programm. Die EU hat sich verpflichtet, die Lebensmittelabfälle bis 2030 zu halbieren, so wie es in den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen gefordert wird. Von den EU-Mitgliedstaaten werde bereits einiges in diesem Sinne unternommen, hielt man auf dem EU-Agrarrat fest. Um das Ziel der Vereinten Nationen zu erreichen, müssten die Anstrengungen allerdings noch forciert werden. „Der Weg ist noch weit“, hielt Bucht fest. Die meisten EU-Mitgliedstaaten haben bisher Erfolge erzielt, indem Abfälle leichter den Weg als Spende zu den Bedürftigen finden. Frankreich will die Lebensmittelabfälle schon bis 2025 halbieren. Dazu wird in dem Land die Vernichtung von Lebensmitteln verboten. Der Handel muss Partnerschaften mit Tafeln und anderen Organisationen für Bedürftige eingehen. Jeub wies auf die Initiative „Zu gut für die Tonne“ hin. Mithilfe dieser Initiative werden Verbraucher informiert und mit Rezepten ausgestattet. Außerdem wird ein Preis für 15 verschiedene Vorhaben zur Vermeidung von Abfällen im Handel und in der Landwirtschaft vergeben.
Die Minister waren sich einig, dass das System mit Haltbarkeitsdaten für die Konsumenten verbessert werden muss, um unnötiges Wegwerfen von Lebensmitteln zu verhindern. Auch das System der verschiedenen Handelsklassen in der EU wurde im Rat mehrmals kritisiert, weil hohe Anforderungen an die Optik von Obst und Gemüse zu unnötigen Abfällen führten. An die kommende GAP-Reform erhoben die Minister ebenfalls Forderungen. In der Zweiten Säule soll es verstärkt Anreize für Landwirte geben, die mit neuen Methoden weniger Verluste produzieren.
Quelle: aiz.info