Die nächsten Jahre sind die letzte Chance, in Sachen Klimawandel drohende katastrophale Entwicklungen zu verhindern. Zu diesem Schluss kommt der Sonderbericht des UNO-Weltklimarates (IPCC). Macht die Politik weltweit nicht dramatische Schritte, drohe etwa das Aus für Korallen und viel mehr Naturkatastrophen als schon jetzt.
Das globale Klima wird sich im Zeitraum von 2030 bis 2052 dem UNO-Bericht zufolge ohne radikale Gegenmaßnahmen um 1,5 Grad Celsius erwärmen. Um diesen Wert nicht zu überschreiten, müsse bis 2050 der Anteil erneuerbarer Energie bei 70 bis 85 Prozent liegen, hieß es in dem in der Nacht auf Montag veröffentlichten IPCC-Sonderbericht.
Der Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) müsse bis 2030 um rund 45 Prozent gegenüber dem Wert von 2010 reduziert werden. Zur Jahrhundertmitte müsse der Ausstoß unter dem Strich bei null liegen. Gelinge das nicht, müsse der Atmosphäre CO2 entzogen werden.
Grundlage für politische Entscheidungen
Der Bericht gilt als maßgebliche wissenschaftliche Grundlage für politische Entscheidungen, wie das Klimaabkommen von Paris umgesetzt werden soll. Die internationale Gemeinschaft hatte sich 2015 in der französischen Hauptstadt darauf geeinigt, die Erderwärmung unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu halten. US-Präsident Donald Trump hat den Rückzug seines Landes aus dem Abkommen beschlossen.
„Der Sonderbericht sendet ein klares Signal an die Politik: jetzt handeln, es ist fast schon zu spät“, sagte Niklas Höhne von der niederländischen Universität Wageningen. „Vielen in der Politik war vielleicht noch nicht klar, worauf sie sich eingelassen haben, als sie 2015 in Paris dem Ziel zugestimmt haben, den globalen Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.“ Neben der EU reagierte auch die heimische Politik: Bundespräsident Alexander Van der Bellen betonte, es müsse mehr getan werden als bisher – und die Opposition nahm Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) in die Pflicht.
Vergleich der Folgen
Das Papier zeigt einige klare Unterschiede zwischen einer Erwärmung von 1,5 und einer von zwei Grad. Der globale Meeresspiegel würde bis zum Ende dieses Jahrhunderts bei 1,5 Grad Erwärmung um zehn Zentimeter weniger steigen als bei zwei Grad. „Das würde beinhalten, dass zehn Millionen Menschen weniger den Risiken ausgesetzt wären wie der Versalzung von Äckern oder Überschwemmungen durch Stürme in küstennahen Gebieten“, sagt IPCC-Autor Wolfgang Cramer. „Das Nil-Delta und andere Flussdeltas erleben schon jetzt Verluste an Landfläche durch eindringendes Meerwasser.“
Einen eisfreien Arktischen Ozean im Sommer gibt es laut IPCC bei 1,5 Grad wahrscheinlich einmal pro Jahrhundert, bei zwei Grad vermutlich „mindestens einmal pro Jahrzehnt“. Auch warnen die Autoren, dass etwa 70 bis 90 Prozent der Korallenriffe verschwinden, wenn es um 1,5 Grad wärmer wird als vor der Industrialisierung. „Mit zwei Grad wären praktisch alle verloren.“ Bei zwei Grad Erwärmung könnten deutlich weniger Fische gefangen werden.
Derzeit auf Kurs zu vier Grad Erwärmung
Einig sind sich die meisten Forscherinnen und Forscher, dass die Welt ohne zusätzliche Anstrengungen auf drei, vier Grad Erwärmung zusteuert. Im Klimaabkommen von Paris hatten die Länder eine Obergrenze von deutlich unter zwei Grad Erwärmung beschlossen. Es sollte auf Drängen kleiner Inselstaaten zudem versucht werden, sie bei 1,5 Grad zu stoppen.
Appell aus Brüssel
Nach den eindringlichen Warnungen des Weltklimarates forderte die EU-Kommission weltweit mehr Anstrengungen. „Die Welt muss den gemeinsamen Ehrgeiz erhöhen“, erklärte EU-Klimakommissar Miguel Arias Canete am Montag in Brüssel. Der EU-Umweltministerrat berät am Dienstag in Luxemburg über die europäischen Ziele für die Reduzierung von Treibhausgasen. Ziel ist eine gemeinsame Position vor der Weltklimakonferenz Anfang Dezember in Polen.
Quelle: orf.at / Agenturen